Lipopolysaccharide (LPS)- ein unterschätzter Faktor für unsere Gesundheit? - myBioma

Lipopolysaccharide (LPS)- ein unterschätzter Faktor für unsere Gesundheit?

Was sind LPS?

Lipopolysaccharide (LPS), auch als Endotoxine bezeichnet, sind Glykolipide (Kohlenhydrat-Lipid-Verbindungen), die die äußerste Schicht von gram-negativen Bakterien bilden und diese vor schädlichen Substanzen schützen. Abgesondert werden LPS bei normalen Stoffwechseltätigkeiten der Bakterien oder wenn diese absterben. Im Falle einer durchlässigen Darmwand können LPS in den Blutkreislauf gelangen und systemische Entzündungen, also an den verschiedensten Stellen im Körper verursachen (1).

Gram-negative Bakterien und somit auch LPS kommen natürlicherweise im Darm vor. Solange diese nicht überhandnehmen, ist das auch völlig normal und macht im Normalfall keine Probleme. Wie so oft kommt es nämlich auch im Darm auf ein gesundes Gleichgewicht an!

Der Darm als Barriere: Schutz gegen Eindringlinge

Die Darmbarriere fungiert als eine physikalische und funktionale Barriere, die den Stoffaustausch zwischen Darm und Körper reguliert.

In einem gesunden Darm schützt die Darmbarriere vor der Aufnahme von unerwünschten Substanzen in den Blutkreislauf. Auch LPS verbleiben größtenteils im Darmlumen. Ist die Darmbarriere jedoch gestört, können LPS ungehindert in den Körper gelangen.

Ein durchlässiger und löchriger Darm kann dazu führen, dass LPS unreguliert in den Körper gelangen und Entzündungen auslösen
Bei einer geschädigten oder löchrigen Darmwand können LPS unreguliert in den Körper gelangen und lösen dort Entzündungen aus.

Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut kann mehrere Ursachen haben:

  • Ein Ungleichgewicht im Darm-Mikrobiom (=Dysbiose)
  • Eine Ernährung mit einem hohen Anteil an (ungesunden) Fetten
  • Alkohol
  • Chronischer Stress
  • Entzündungen im Verdauungstrakt

Auch bei SIBO oder Leaky-Gut können vermehrt Bakterien und ihre Beiprodukte wie LPS in den Blutkreislauf gelangen (1, 2).

Auswirkungen von LPS auf den Körper: Entzündungsrisiko und Symptome

Überwinden LPS die Darmbarriere und gelangen in den Blutkreislauf, interagieren diese mit dem angeborenen Immunsystem und lösen Entzündungen aus. Sind die LPS-Werte im Körper konstant erhöht, spricht man von chronischen Entzündungen. Diese können Auswirkungen auf so gut wie alle Organe und verschiedene Körperregionen haben (2, 3, 4).

Die folgenden Symptome können auf chronischen Entzündungen hinweisen (4, 5, 6):

  • Müdigkeit und Abgeschlagenheit: Anhaltende Erschöpfung und wenig Energie
  • Schmerzen: In Gelenken, Muskeln oder Gliederschmerzen
  • Schlechter Schlaf: Unerholsamer und unruhiger Schlaf, Schwierigkeiten einzuschlafen, häufiges aufwachen
  • Verdauungsprobleme: Wie Blähbauch, Blähungen, Veränderungen in der Stuhlfrequenz oder -konsistenz
  • Brain-fog: Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme
  • Stimmungsschwankungen: Erhöhte Reizbarkeit, Angstzustände, depressive Verstimmungen
  • Gewichtszunahme oder Schwierigkeit, beim Abnehmen
  • Insulinresistenz
  • Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Hautprobleme
  • Infektionsanfälligkeit
LPS lösen Entzündungen aus die zu Müdigkeit, Schmerzen, schlechtem Schlaf, Verdauungsproblemen, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, Insulinresistenz, cardiovaskulären Erkrankungen, schlechter Hautgesundheit, Infektanfälligkeit führen können
    Die Symptomatik von LPS-induzierten Entzündungen kann vielfältig sein.

    Auch können LPS in schlimmeren Fällen eine Sepsis, einen septischen Schock oder multiples Organversagen verursachen (2, 6).

    Metabolische Endotoxämie: der Auslöser vieler Krankheiten?

    Eine metabolische Endotoxämie bezeichnet das übermäßige Vorhandensein von LPS im Blutkreislauf. Einige Studien weisen darauf hin, dass erhöhte LPS-Werte im Blut mit verschiedenen Krankheiten in Zusammenhang stehen. Die übermäßige Stimulierung des Immunsystems und die daraus resultierenden Entzündungen können Zellschäden verursachen und die folgenden Krankheiten befeuern:

    Metabolische Erkrankungen: LPS induzierte Entzündungen begünstigen Fettstoffwechselstörungen und eine Insulinresistenz. Das führt zu einem erhöhten Risiko für Adipositas sowie Typ 2 Diabetes mellitus (7).

    Auch bei der Entwicklung einer Nicht-alkoholische Fettleber können erhöhte LPS eine wichtige Rolle spielen (2, 5, 6).

    Neurodegenerative Erkrankungen: LPS lösen Entzündungen im Gehirn aus, wodurch das Risiko oder der Schweregrad von Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson steigen kann. Zu viele LPS können Nervenzellen schädigen, Abwehrzellen stören sowie schädliche Ablagerungen im Gehirn fördern (5).

    Kardiovaskuläre Erkrankungen: LPS können zu Fettablagerungen in Zellen führen, entzündliche Reaktionen und die Bildung von atherosklerotischen Plaques fördern, was das Risiko für Herzkrankheiten erhöht. LPS sind zudem stark gerinnungsfördernd und können somit das Risiko auf Thrombosen erhöhen (5, 6).

    Entzündliche Darmerkrankungen: LPS sind in der Lage die Zusammensetzung des Darmmikrobioms zu verändern, die Barrierefunktion des Darms zu stören sowie Entzündungsreaktionen zu fördern. Das kann maßgeblich zur Entstehung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Chron oder Colitis Ulcerose beitragen (6, 8).

    Wie kommt es zu einem Überfluss an LPS im Darm?

    Wie LPS in den Blutkreislauf gelangen und was sie dort anrichten können, wissen wir nun. Wie aber kommt es überhaupt dazu, dass sich zu viele LPS im Darm bilden?

    Der Grund für zu viele LPS liegt zumeist an einem Ungleichgewicht (=Dysbiose) im Darm, bei dem es charakteristisch zu einer Abnahme der mikrobiellen Vielfalt kommt und Gram-negative Bakterien wie Bacteroidetes vermehrt vorkommen (3).

    Wie wird eine Endotoxämie und zu hohe LPS-Werte diagnostiziert?

    Im klinischen Bereich gibt es (noch) keine standardisierte Testung zur Ermittlung der LPS im Darm. Jedoch gibt es mehrere indirekte Verfahren, wie LPS gemessen werden können.

    • Im Blutserum: Bei manchen Testverfahren wird das LPS-Level im Blut gemessen und so Rückschlüsse auf das Vorhandensein im Darm gezogen.
    • Durch einen Laktulose-Mannitol-Test oder eine Biopsie: Hier wird die Darmdurchlässigkeit getestet. Ein durchlässiger Darm kann seine Barrierefunktion nicht mehr erfüllen, sodass LPS vermehrt vom Darm in den Blutkreislauf gelangen können.
    • Durch bestimmte Entzündungsmarker: Das übermäßige Vorhandensein von bestimmten Entzündungsmarkern im Blut kann auf erhöhte LPS-Werte im Körper hindeuten.
    • Darm-Mikrobiom-Tests: Durch eine Stuhluntersuchung kann eine Dysbiose aufgezeigt und eine Überwucherung an gram-negativen Bakterien festgestellt werden. Dadurch können ebenfalls indirekte Rückschlüsse auf LPS gezogen werden.

    Während all diese Diagnosemethoden wertvolle Informationen liefern können, ist jedoch zu beachten, dass es sich um indirekte Verfahren handelt. Für eine Diagnose von LPS-bedingten Problemen benötigt es zumeist eine Kombination dieser Testverfahren, eine Interpretation mit anderen klinischen Befunden und Symptomen.

    Wie detektieren wir bei myBioma LPS und das Entzündungspotenzial?

    Bei unserem Darm-Mikrobiom-Test analysieren wir die DNA (=das Genmaterial) der Bakterien im Darm. Alle Funktionen, die ein bestimmtes Bakterium ausführen kann, sind in der DNA festgelegt. So beispielsweise auch bestimmte Signalwege (=pathways), die Bakterien nutzen, um die entzündungsfördernden LPS zu produzieren. So weit so gut.

    Jedoch kann durch die Genanalyse nicht herausgefunden werden, ob diese Gene aktiv oder passiv sind. Das bedeutet, man kann zwar sehen, dass die Gene für bestimmte Entzündungsreaktionen vorhanden sind, aber nicht, ob diese auch tatsächlich "ein- oder ausgeschaltet" sind.

    Deshalb gehen wir einen Schritt weiter mit einer prädiktiven Funktionsanalyse. Durch diese Funktionsanalyse können wir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie viele LPS gebildet werden und wie hoch das damit einhergehende Entzündungspotenzial ist. Die prädiktive Analyse ist zu 95% ident mit der sehr zeit- und ressourcenaufwändigen Metabolomics-Auswertung, bei der Stoffwechselprodukte wie LPS direkt gemessen werden können.

    Führe eine LPS-Therapie mit der Hilfe eines Arztes/ einer Ärztin oder Ernährungsfachkraft durch
    Hole dir für eine LPS-Therapie Unterstützung durch einen Arzt/ eine Ärztin oder eine Ernährungsfachkraft.

    Therapieansätze bei einer Endotoxämie durch zu hohe LPS-Werte

    Es gibt mehrere Möglichkeiten, zu hohen LPS-Werten den Kampf anzusagen. Wende dich unbedingt an eine Ernährungsfachkraft oder einen Arzt/ eine Ärztin, um dich bei der Therapie beraten und unterstützen zu lassen.

    Aufbau einer ausgeglichenen Darmflora und leistungsstarken Darmbarriere

    Dein Lebensstil hat einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung deiner Darmbakterien und kann daher als präventive Maßnahme als auch als Therapie gesehen werden. Das Ziel ist, ein vielfältiges und ausgeglichenes Mikrobiom (=keine Überwucherung von LPS-produzierenden Bakterien) sowie eine leistungsstarke Darmbarriere aufzubauen und zu erhalten (2, 5, 6, 9, 10, 11):

    Die richtige Ernährung:

    Gesunder Lebensstil:

    • Stressmanagement: Durch Achtsamkeitstraining, Atemübungen, Yoga, Massagen
    • Ausreichend Schlaf von guter Qualität: Regelmäßige Schlafens- und Aufstehzeiten, Entspannungstechniken vor dem zu Bett gehen
    • Hilf deinem Körper zu entgiften durch regelmäßiges Schwitzen: Etwa durch Bewegung, Sport und Saunagänge
    • Vermeidung von Alkohol und Rauchen

    Antibiotika

    Im klinischen Bereich werden häufig Antibiotika-Kuren eingesetzt, um die Menge an LPS- produzierenden Bakterien zu reduzieren. Dies erweist sich jedoch oft als schwierig, da gramnegative Bakterien aufgrund von Antibiotikaresistenzen schwer zu bekämpfen sind. Zwar kann durch die Wahl geeigneter Antibiotika die Anzahl dieser Bakterien reduziert werden, allerdings werden bereits bestehende oder freigesetzte LPS nicht netralisiert. Zudem werden auch nützliche Bakterien durch diese Behandlung in Mitleidenschaft gezogen (11).

    Weitere medizinische Interventionen

    Im medizinischen Bereich wird an weiteren geeigneten Therapien geforscht. Teilweise sind diese jedoch noch nicht für den klinischen Einsatz zugelassen. Weitere Studien sind notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit umfassend zu überprüfen. Zwei vielversprechende Therapieansätze wollen wir euch vorstellen:

    Stuhltransplantationen:

    Stuhltransplantationen werden bereits bei ausgewählten gastrointestinalen Erkrankungen als Therapiemaßnahme eingesetzt. Auch zur Reduktion von Lipopolysacchariden kann eine fäkale Mikrobiota-Transplantation wirkungsvoll sein.

    Dabei wird der Stuhl einer gesunden Spenderperson in den Darm des Empfängers/ der Empfängerin übertragen. Die gesunden Bakterien der spendenden Person können so das Mikrobiom der empfangenden Person ausgleichen und regulieren (2).

    Behandlung durch intestinale alkalische Phosphatase:

    Die intestinale alkalische Phosphatase, ein an der Darmwand gebildetes Enzym, dass in der Lage ist das Entzündungspotential von LPS sowohl im Darmlumen als auch im Blutkreislauf zu verringern sowie die Durchlässigkeit der Darmbarriere zu reduzieren, wird es als vielversprechende Therapie gesehen. Das Enzym entfernt einen Phosphatgruppe von LPS und macht sie dadurch unschädlich.

    Die Forschungen sind hier noch nicht abgeschlossen, aber erste Studien an Mäusen zeigen einen positiven Einfluss durch die orale Einnahme von IAP (2).

    Du bist neugierig geworden, wie es um die Gesundheit deines Darms und die Zusammensetzung deines Darm-Mikrobioms steht und wie du diese stärken kannst? Bestelle dir noch heute deinen myBioma Darm-Mikrobiom-Test ganz bequem nach Hause und finde es heraus!

    Referenzen

    • Candelli M, Franza L, Pignataro G, Ojetti V, Covino M, Piccioni A, Gasbarrini A, Franceschi F. Interaction between Lipopolysaccharide and Gut Microbiota in Inflammatory Bowel Diseases. Int J Mol Sci. 2021 Jun 10;22(12):6242. doi: 10.3390/ijms22126242. PMID: 34200555; PMCID: PMC8226948.
    • An L, Wirth U, Koch D, Schirren M, Drefs M, Koliogiannis D, Nieß H, Andrassy J, Guba M, Bazhin AV, Werner J, Kühn F. The Role of Gut-Derived Lipopolysaccharides and the Intestinal Barrier in Fatty Liver Diseases. J Gastrointest Surg. 2022 Mar;26(3):671-683. doi: 10.1007/s11605-021-05188-7. Epub 2021 Nov 3. PMID: 34734369; PMCID: PMC8926958.
    • Violi, F., Cammisotto, V., Bartimoccia, S. et al. Gut-derived low-grade endotoxaemia, atherothrombosis and cardiovascular disease. Nat Rev Cardiol 20, 24–37 (2023). https://doi.org/10.1038/s41569-022-00737-2
    • Page MJ, Kell DB, Pretorius E. The Role of Lipopolysaccharide-Induced Cell Signalling in Chronic Inflammation. Chronic Stress (Thousand Oaks). 2022 Feb 8;6:24705470221076390. doi: 10.1177/24705470221076390. PMID: 35155966; PMCID: PMC8829728.
    • Van Eeden, W.A., van Hemert, A.M., Carlier, I.V.E. et al. Basal and LPS-stimulated inflammatory markers and the course of individual symptoms of depression. Transl Psychiatry 10, 235 (2020). https://doi.org/10.1038/s41398-020-00920-4
    • Heiles B (2023) Lipopolysaccharide (LPS): Understanding the Role in Inflammation and Disease. J Prob Health. 11:321.doi: 10.35248/2329-8901.23.11.321
    • Ruze R, Liu T, Zou X, Song J, Chen Y, Xu R, Yin X, Xu Q. Obesity and type 2 diabetes mellitus: connections in epidemiology, pathogenesis, and treatments. Front Endocrinol (Lausanne). 2023 Apr 21;14:1161521. doi: 10.3389/fendo.2023.1161521. PMID: 37152942; PMCID: PMC10161731.
    • Li, Q., von Ehrlich-Treuenstätt, V., Schardey, J. et al. Gut Barrier Dysfunction and Bacterial Lipopolysaccharides in Colorectal Cancer. J Gastrointest Surg 27, 1466–1472 (2023). https://doi.org/10.1007/s11605-023-05654-4
    • https://www.ifm.org/news-insights/gut-stress-changes-gut-function/
    • Lin, Zhonghui, Jiang, Tao, Chen, Miaoling, Ji, Xudong and Wang, Yunsu. "Gut microbiota and sleep: Interaction mechanisms and therapeutic prospects" Open Life Sciences, vol. 19, no. 1, 2024, pp. 20220910. https://doi.org/10.1515/biol-2022-0910
    • https://www.rupahealth.com/post/lipopolysaccharides-treatment-strategies
    Evelyn Weiler BSc
    Evelyn Weiler BSc
    Ernährungswissenschafterin
    Als Ernährungswissenschafterin und Expertin für Darmgesundheit setzt sich Evelyn intensiv mit aktuellen Studien zur Ernährung auseinander und nutzt dieses Wissen, um fundierte Empfehlungen und innovative Lösungen zu entwickeln. Ihre Leidenschaft für Ernährung zeigt sich auch in ihrer Küche, wo sie gerne experimentiert und gesunde, darmfreundliche Rezepte, insbesondere für Personen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen, kreiert.