Bauchschmerzen, Blähbauch, Verstopfung oder Durchfall… viel zu viele Menschen haben regelmäßig diese Beschwerden. Ja bis zu 15% der Menschen leiden unter dem sogenannten Reizdarm Syndrom – ein unglaublich hoher Prozentsatz für eine Krankheit. (1) Eine Hypothese für die Krankheitsentstehung dreht sich um die Darmflora, auch “Mikrobiom” genannt. Auch bei vielen anderen Krankheiten fällt dieser Begriff in den letzten Jahren immer häufiger. Übergewicht – die Schuld könnte bei den Darmbakterien liegen. Erkrankungen der Blutgefäße, wie Atherosklerose, könnten durch eine ungesunde Darmflora beeinflusst werden. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, beispielsweise Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa – auch hier scheint das Mikrobiom mitbeteiligt zu sein. Sogar Autismus könnte von der Darmflora mit beeinflusst werden!
Das Mikrobiom ist also immer Schuld? Nein, wir dürfen den Bakterien in unserem Darm nicht die alleinige Schuld zuweisen! Aber die aktuellsten Forschungsergebnisse legen eine Mitbeteiligung nahe. Da fragt man sich natürlich: Was ist ein gesundes Mikrobiom und wie erkenne ich es? Und vor allem: Wie kann ich mein Mikrobiom analysieren? Werfen wir also einen genaueren Blick auf die Zusammensetzung unserer Darmflora!
Das Mikrobiom als Ökosystem
Was macht ein gesundes Mikrobiom aus? Das Mikrobiom eines Individuums als gesund zu beurteilen, ist gar nicht so einfach. Das liegt daran, dass es sich um ein überaus komplexes Zusammenspiel unzähliger Bakterien handelt. Es gibt bestimmte Bakterien, die in Studien mit Gesundheit assoziiert wurden und wir können diese Erkenntnisse nutzen, um das Mikrobiom zu analysieren. Allerdings beweist das noch lange nicht, dass immer kausale Zusammenhänge vorliegen. Ein Bespiel: Faecalibacterium prausnitzii kommt bei Normalgewichtigen häufiger als bei Übergewichtigen vor, allerdings macht einen dieses Bakterium nicht automatisch schlank. (2) Außerdem gilt: Einzelne Bakteriensorten machen durch ihr Vorkommen ein Mikrobiom nicht gesund!
Viel mehr kommt es darauf an das Mikrobiom in seiner Gesamtheit zu sehen! Diese riesigen Mengen an unterschiedlichen Mikroorganismen beeinflussen sich gegenseitig und wirken zusammen wie ein Ökosystem. Das funktioniert genauso wie in einem Wald: Viele verschiedene Pflanzen, wie Fichten, Eschen, Moos, Birken, Ahornbäume und noch unzählige mehr, wachsen nebeneinander und konkurrieren um Nährstoffe, Wasser und Sonnenlicht. Manche von ihnen arbeiten zusammen (zum Beispiel gehen Flechten und Nadelbäume Symbiosen ein) und viele stehen im gegenseitigen Wettkampf. Dazu kommen noch alle Tiere, die im Wald vorkommen, und sich gegenseitig in ihren Nischen bedrohen. Sobald eine Art in diesem System außer Balance gerät, droht dies einen Einfluss auf alle Lebewesen zu haben! Das kennt man am Beispiel der Honigbiene, ohne deren Vorkommen könnten viele Pflanzen ihre Früchte nicht mehr bilden und ein Nahrungsmangel für Tiere würde entstehen.
Genauso beeinflussen sich auch die verschiedenen Bakterien, Viren, Pilze und Urbakterien im Darm gegenseitig. Um also ein gesundes Mikrobiom zu erkennen, muss man sie alle zusammen ansehen!
Besonders wichtig für eine ausgewogene Darmflora ist ein großer Reichtum an den unterschiedlichsten Bakterienarten! Diese Artenvielfalt nennt man auch “Diversität des Mikrobioms“. Davon ist in vielen Studien die Rede und es konnte bereits häufig belegt werden, dass ein diverses Mikrobiom von Vorteil ist. Eine geringe Diversität wurde hingegen mit verschiedenen Krankheiten, wie zum Beispiel Übergewicht oder Durchfallerkrankungen, assoziiert. (3)
Was das Mikrobiom alles kann
Wichtig ist nicht nur welche Arten von Bakterien vorhanden sind, sondern auch was die Bakterien KÖNNEN. Für deinen Darm ist von Bedeutung, welche Gene im Mikrobiom vorhanden sind, also welche Dienste dir dein Mikrobiom erfüllen kann. Beispielsweise produzieren manche Bakterien kurzkettige Fettsäuren, welche die Darmschleimhaut pflegen. Das Gen um diese kurzkettigen Fettsäuren herzustellen, tragen mehrere Bakterienarten – welches Bakterium diese Arbeit leistet ist unwichtig, hauptsache es wird erledigt!
Mit der hohen Diversität ergibt sich auch ein großer Genpool – ein diverses Mikrobiom kann besonders viel! Das ist für uns unglaublich wichtig, denn wir sind auf die Bakterien angewiesen, um unsere Nahrung richtig zu verdauen, unser Immunsystem im Gleichgewicht zu halten, unsere Darmschleimhaut zu pflegen und vieles mehr! Genau wie ein Arbeitsteam mit unterschiedlich ausgebildeten Mitarbeitern, wie Elektriker, Ingenieur, Architekt und Baumeister, erfolgreicher ein Haus baut, als ein Team aus drei Architekten und einem Elektriker, leistet auch eine diversere Darmflora effizientere Dienste. Erkrankt der Elektriker, kann der Ingenieur einen Teil dessen Arbeit übernehmen, der Architekt hingegen wahrscheinlich nicht. Genauso verhält es sich bei der Darmflora: Fällt einmal ein Teil der Bakterien aus (beispielsweise durch Antibiotikaeinnahme), gibt es bei einem diversen Mikrobiom noch andere Bakterien, die von dem Antibiotikum nicht zerstört wurden und die Aufgaben übernehmen können. (3)
Außerdem bleibt ein gesundes Mikrobiom gegenüber Stressfaktoren von außen relativ stabil. Natürlich ist Gesundheit generell ein dynamischer Zustand. So verändert sich auch das Mikrobiom ständig in kleinem Ausmaß (zum Beispiel sieht es je nach Mahlzeit ein bisschen anders aus). Aber in seinen Funktionen und seiner Diversität sollte ein gesundes Mikrobiom immer relativ stabil bleiben. (3)
Das Gegenstück zum gesunden Mikrobiom ist ein dysbiotisches Mikrobiom. Man spricht von einer Dysbiose, wenn die Zusammensetzung des Mikrobioms gestört ist – also die Diversität erniedrigt ist, bestimmte Bakterien mit negativem Einfluss erhöht und jene mit positiven Wirkungen vermindert sind. Dysbiotische Darmflora findet man bei vielen Krankheiten, unter anderem bei Reizdarm Syndrom, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen. Allerdings lässt sich noch nicht sagen, ob eine Dysbiose Auslöser oder Folge der Erkrankung ist.
Jetzt wissen wir also genauer, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht: eine hohe Diversität an Bakterienarten, die Balance zwischen Bakterien mit positiven und negativen Einflüssen und die Stabilität des Mikrobioms. Die Darmflora so zu analysieren, kann man natürlich nicht alleine. Deswegen messen wir bei myBioma all diese Parameter und fassen die Ergebnisse verständlich und grafisch dargestellt für dich zusammen. Hier geht es zur Kitbestellung.
Das Mikrobiom selbst in die Hand nehmen?!
Nun stellt sich natürlich noch die Frage: Wie entsteht ein gesundes oder ein krankes Mikrobiom? Welche Faktoren spielen eine Rolle, damit sich die passenden Bakterien in deinem Darm ansiedeln? Hast du selbst eine Möglichkeit deine Darmflora zu beeinflussen?
Die Antwort lautet Ja! Allerdings mit ein paar Einschränkungen, da die Wissenschaft bis jetzt nur einen Teil der Zusammenhänge des Aufbaus der Darmflora erklären kann.Denn die Zusammensetzung und Variabilität des Mikrobioms einer Person ist vielen Einflüssen ausgesetzt! Vieler dieser Einflüsse sind noch unbekannt oder es ist schwer zu beurteilen, wie wichtig ihre Rolle tatsächlich ist. Man weiß bereits, dass Genetik (also Vererbung durch die Eltern) nur einen äußerst kleinen Einfluss (1.9%) haben dürfte. Im Gegensatz dazu scheinen Umweltfaktoren viel wichtiger zu sein. Sogar 20% der Variabilität des Mikrobioms hängen von Faktoren wie Ernährung, Lebensstil, Medikation und Körpermaßen wie dem BMI ab. (20% sieht auf den ersten Blick zwar nicht viel aus, ist aber bei der unglaublich großen Datenmenge, die man aus der Darmflora erheben kann, bereits eine Menge!) Auch gibt es eindeutige Ähnlichkeiten in den Mikrobiota zweier Personen, die einen Haushalt teilen. Es scheint daher wichtiger zu sein, wie wir unser Leben gestalten und dadurch unser Mikrobiom formen. All das bedeutet, dass wir eine große Chance haben die Zusammensetzung unserer Darmflora durch Veränderungen des Lebensstils zu verbessern! (4) Spannend ist auch, welche Faktoren die Darmflora bei Kindern von Geburt an beeinflussen. Darüber kannst du in diesem Blogpost mehr erfahren: Gesunde Darmflora aufbauen bei Kindern
Was genau bewirkt also die individuelle Zusammensetzung deiner Darmflora? Dinge, die nachweislich einen Einfluss auf den Aufbau des Mikrobioms haben, sind Ernährung und Lebensstil, Sport, Lebensalter, sowie Medikamente (nicht nur Antibiotika oder Probiotika, sondern auch viele “normale” Arzneien, wie Blutdrucksenker oder Magenschutz verändern die Darmflora).
Referenzen
- Althaus, A., Broicher, W., Wittkamp, P., Andresen, V., Lohse, A.W. and Löwe, B., 2016. Determinants and frequency of irritable bowel syndrome in a German sample. Zeitschrift für Gastroenterologie, 54(03), pp.217-225
- Turnbaugh PJ, Hamady M, Yatsunenko T, et al. A core gut microbiome in obese and lean twins. Nature. 2009;457(7228):480-4.
- Bäckhed F, Fraser CM, Ringel Y,et al. Defining a healthy human gut microbiome: current concepts, future directions, and clinical applications. Cell Host Microbe. 2012;12(5):611-22.
- Rothschild D,Weissbrod O, Barkan E, et al. Environment dominates over host genetics in shaping human gut microbiota. Nature.2018;