Inhaltsverzeichnis
- 1. 10 x mehr Bakterien als Zellen
- 2. Die Darmflora besteht aus Bakterien
- 3. Das perfekte Mikrobiom
- 4. Am wichtigsten ist die Genetik
- 5. Antibiotika machen dick
- 6. Probiotika sind die Lösung
- 7. Das Mikrobiom ist an jeder Krankheit schuld
- 8. Ballaststoffe sind immer die Lösung
- 9. Je hygienischer, desto besser
- 10. Ähnlichkeiten nur innerhalb der Spezies
“Wir sind mehr Bakterien, als Mensch.” Über diese Aussage stolpert man schnell, wenn man sich mit dem Mikrobiom beschäftigt. Aber stimmt das überhaupt? “Antibiotika machen dick”oder “Hier geht’s zum Rezept für die perfekte Darmflora!” Das Mikrobiom steht im Zentrum der Aufmerksamkeit: Alles dreht sich in der Forschung, Ernährung und im Life-Health-Style Bereich um die Bakterien in deinem Darm. Dabei gibt es kuriose Gerüchte und keiner kennt sich mehr aus. Wir nehmen die Top 10 unter die Lupe und zeigen Dir, was Wahrheit ist und wo es sich um Fake News handelt!
1. 10 x mehr Bakterien als Zellen
“Dein Körper besteht aus 10 Mal so vielen Bakterienzellen, wie aus menschlichen Zellen!” Dieser Mythos hat jahrelang als Fakt gegolten, tatsächlich handelt es sich aber um einen groben Rechenfehler. 2015 revidierten Wissenschaftler vom berühmten Weizmann Institut (Israel) das Verhältnis. In Wirklichkeit besteht ein Erwachsener aus ca. 30 Billionen menschlichen Zellen. Die Anzahl an Bakterien liegt hingegen bei ca. 39 Billionen Zellen. Das geschätzte Verhältnis liegt damit bei ungefähr 1,3 Mal so vielen Bakterien, wie menschliche Zellen. Diese Werte haben aber eine relativ hohe Schwankungsbreite und sind bei niemandem konstant. Im Stuhl befinden sich ganz besonders viele Bakterien – das heißt nach dem Stuhlgang könnten die menschlichen Zellen sogar (kurzfristig) in der Überzahl liegen (1).
2. Die Darmflora besteht aus Bakterien
Darmflora = Bakterien im Darm. Falsch! Die Begriffe Darmflora und Mikrobiom werden oft synonym verwendet. Genau genommen versteht man unter dem Mikrobiom alle Gene der im und am Körper lebenden Mikroorganismen – dazu gehören Bakterien, aber auch Viren, Pilze und Urbakterien (Archaeen). Der Großteil dieser Mikroorganismen lebt im Darm und wird Darmflora genannt. Tatsächlich sind die Bakterien ihren Mitbewohnern aber zahlenmäßig überlegen – sie machen rund 98 % der Mikroorganismen aus – und sind auch viel besser erforscht (2).
3. Das perfekte Mikrobiom
Eine weitere gängige Meinung ist, dass eine ideale Darmflora existiert und (wenn man sich genug anstrengt) diese auch bekommen kann. Hier gibt es gleich zwei Probleme. Einerseits konnte bis jetzt keine ideale Zusammensetzung des Mikrobioms entdeckt werden. Man weiß jedoch, dass ein divers aufgebautes Mikrobiom positiv mit der persönlichen Gesundheit korreliert. Wenn du dich dafür interessierst, bist du bei myBioma genau richtig – hier geht es zu mehr Infos über unsere Mission!
Andererseits kann man seine persönliche Darmflora nicht genau zu einer Vorgabe hintrimmen. Der Aufbau des Mikrobioms unterliegt nämlich vielen Faktoren. Das führt uns gleich zum nächsten Punkt…
4. Am wichtigsten ist die Genetik
In den letzten Jahrzehnten ging man davon aus, dass die Genetik der wichtigste Faktor für Krankheit oder Gesundheit ist. Gerade beim Mikrobiom weiß man bereits heute, dass andere Dinge entscheidender sind: Ernährung spielt hierbei eine zentrale Rolle, aber auch Bewegung, Stress, Lebensgewohnheiten, Alter und Geschlecht sind von Bedeutung. Das heißt gerade beim Thema Darmgesundheit, kannst du viel selber in die Hand nehmen und deine Darmflora verbessern (3)!
Wir begegnen Bakterien in jeder Lebenssituation, sei es beim Essen, Auto fahren, Sport oder auf der Toilette.
5. Antibiotika machen dick
Ohne Antibiotika hätte sich die Medizin nie in ihre heutige Form entwickeln können! Jedoch geraten Medikamente zur Behandlung bakterieller Infektionen immer mehr in Verruf: die Resistenzlage verschlechtert sich, sie werden falsch eingesetzt und jetzt machen sie auch noch dick! Stimmt das wirklich? Nicht ganz. Antibiotika sollten bedacht und nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden – man braucht bei der Verschreibung aber nicht in Panik zu verfallen. An sich führen Antibiotika nicht zu Gewichtszunahme. Viel mehr kann ein häufiges Einnehmen in der Kindheit, die Darmflora langfristig verändern. Antibiotika töten nämlich nicht nur die krankmachenden Bakterien ab, sondern auch die “gute” Darmbakterien. Solange das nicht allzu oft passiert, ist es nicht weiter schlimm. Nur bei zu langem Einsatz von Antibiotika, entwickelt sich die Darmflora nicht normal. Das veränderte Mikrobiom bewirkt dann ein höheres Risiko für Übergewicht. Schlussfolgerung: Antibiotika nicht verteufeln, aber mit Vorsicht einsetzen (4)!
6. Probiotika sind die Lösung
Das bringt uns gleich zum nächsten Mythos: Wäre es nicht die beste Lösung nach dem Zerstören der Darmflora, diese in Pillenform zu ersetzen?! Genau diesen Ansatz gibt es bereits: Probiotika nennt man die lebenden Bakterien, die es in Pulver oder als Tablette in der Apotheke zu erwerben gibt. Der Ansatz “unten raus, oben wieder rein”, ist nicht ganz verkehrt. Allerdings enthalten Probiotika nicht die gleichen Bakterien, die durch Antibiotika verloren gehen. Nach einer Behandlung tendiert das Mikrobiom, sich zu seinem Ausgangsstadium zurück zu entwickeln.
Wird allerdings ein Probiotikum in dieser Erholungsphase geschluckt, können die fremden Bakterien diesen Normalisierungsprozess stören (5). Einige Studien haben jedoch auch gezeigt, dass Probiotika während der Antibiotikaeinnahme einen positiven Effekt auf die Darmgesundheit haben können. Bei Depressionen, Konzentrationsschwächeund Reizdarm Syndrom, können Probiotika auch Besserungen bewirken. Fazit ist also, dass das Thema Probiotikaeinnahme noch längst nicht geklärt ist. Der positive Effekt von Probiotika wurde in viele Situationen wissenschaftlich nachgewiesen. In einigen Situationen ist die Studienlage nicht ausreichend und Rückschlüsse können daher auch nicht getroffen werden (6).
Bespreche die Einnahme von Probiotika nach Antibiotika mit einer Ernährungsfackraft.
7. Das Mikrobiom ist an jeder Krankheit schuld
Die Liste der Krankheiten, die mit einem veränderten Mikrobiom einhergehen, wird immer länger. Erkrankungen wie Rheuma, Atherosklerose, Alzheimer (Demenz) oder Multiple Sklerose werden in einem Satz mit der Darmflora erwähnt. Aber sind wirklich die Bakterien im Darm an allem schuld? Wohl eher nicht. Durch viele Dinge wird das Mikrobiom verändert: Rauchen, Übergewicht, Genetik, Ernährung etc. Diese Veränderungen des Mikrobioms könnten entweder krank machen, oder erst auf Grund der Krankheit auftreten. Wir stehen also vor der berühmten Frage nach Henne oder Ei. Eins ist jedoch sicher: Krankwerden können wir nicht immer einfach auf die Darmflora schieben.
8. Ballaststoffe sind immer die Lösung
Ein gern genannter Weg zur gesunden Darmflora ist das Umstellen der Ernährung – das hat auch seine Berechtigung. Tipp Nummer 1 für ein diverses und damit gesundes Mikrobiom ist mehr Ballaststoffe zu essen. Das ist stimmt auch – zumindest bei Gesunden. Bei Menschen mit Bauchproblemen, wie Reizdarm Syndrom oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, können Ballaststoffe die Probleme allerdings verschlechtern. Beschwerden wie Durchfall und Bauchschmerzen stehen hier im Vordergrund. Schwer verdauliche Nahrung – also mit viel Ballaststoffen – ist hier kontraproduktiv. Hier findest du mehr über die richtige Ernährung für die Darmflora!Ballaststoffe- die Nahrung für nützliche Bakterien. Doch bei Verdauungsbeschwerden können diese Pflanzenfasern das Unwohlsein verstärken.
9. Je hygienischer, desto besser
Je sauberer es ist, desto besser? Nein! Dass Müll und Schmutz krank machen, ist tief in unserem Gedächtnis verankert. Das hat natürlich seine Berechtigung, weil mangelnde Hygiene zur Übertragung von Krankheiten beiträgt. Allerdings ist die westliche Welt zu weit gegangen. Studien konnten belegen, das ein ständiges Waschen und Putzen die gesunde Bakterienflora auf der Haut und im Darm zerstört und so unsere Umgebung an nützlichen Bakterien verarmt. Das lässt Platz für echte Krankheitserreger und macht uns anfälliger. Kinder, die in “über-hygienischen” Bedingungen aufwachsen, neigen außerdem zu Allergien und Autoimmunerkrankungen. Das liegt daran, dass ihr Immunsystem nicht ausreichend mit unschädlichen Bakterien trainiert wurde und dadurch schnell überreagiert (7).
10. Ähnlichkeiten nur innerhalb der Spezies
Wer glaubt, dass Bakterien die Grenzen zwischen Spezies kennen, hat sich getäuscht! Tatsächlich sind die beiden Darmfloren eines Hundes und seines Besitzers sich ähnlicher, als die zweier fremder Menschen. Durch das Teilen eines Haushalts tauschen Hund und Besitzer ihre Bakterien viel stärker aus – was übrigens einen Gesundheitsbenefit bringt! Das Mikrobiom wird so diverser und das Immunsystem wird besser trainiert. Haustiere sind also sehr zu empfehlen (8).
Referenzen
- Sender, R., Fuchs, S. &Milo, R. Preprint on bioRxiv http://dx.doi.org/10.1101/036103 (2015).
- Qin J, Li R, Raes J, et al. A human gut microbial gene catalogue established by metagenomics sequencing. Nature. 2010; 464(7285):59-65.
- Rothschild D,Weissbrod O, Barkan E, et al. Nature.2018.
- Cox LM, Blaser MJ. Nat Rev Endocrinol. 2015;11(3):182-90.
- Suez J, Zmora N, Zilberman-schapira G, et al. Cell. 2018;174(6):1406-1423.e16.
- Shen NT, Maw A, Tmanova LL, et al. Gastroenterology. 2017;152(8):1889-1900.e9.
- Vandegrift R, Bateman AC, Siemens KN, et al. Microbiome. 2017;5(1):76.
- Song SJ, Lauber C, Costello EK, et al. Elife. 2013;2:e00458.